Rede von Rolf Schuhmann, damaligen ersten Vorsitzenden anlässlich der 40-Jahr-Feier am 31. September 2013

Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; er schlägt mit der Rute jeden Sohn, den er gerne hat. (Hebräerbrief) 

Jahrhunderte lang waren kirchliche Institutionen die wesentlichen Träger eines theoretisch fundierten Erziehungssystems, im Elternhaus und im Ausbildungsort Werkstatt hatten Kinder zu funktionieren und Arbeit zu verrichten. Die Prügelstrafe galt als probates Mittel der Erziehung. Bis in die 60er Jahre hatten Kinder zu gehorchen, Widerspruch wurde nicht geduldet und Erklärungen gab es nicht. Erst 1973 wurde die Prügelstrafe an deutschen Schulen offiziell abgeschafft (in Bayern 1980). 

Dagegen steht die Erziehung zur Mündigkeit, die ab den 60er Jahren den gesellschaftlichen Diskurs prägte. Sie basierte auf der Forderung einer herrschaftsfreien Erziehung der Antipädagogik oder – weniger drastisch – der antiautoritären Erziehung als Ergebnis der politischen Forderungen des Antikapitalismus und der gesellschafts-philosophischen Forderungen z.B. der Frankfurter Schule. Sie formulieren das Ziel Bildungseinrichtungen als Orte, an dem Ideologie eingeprägt und die herrschende Kultur aufrecht erhalten wird, abzuschaffen und das Machtgefälle zwischen Kind und Erwachsenem aufzuheben. 

Vor vierzig Jahren fanden sich hier auf diesem Spielplatz Eltern zusammen, die dem Geist der Zeit folgend andere Bedingungen für ihre Kinder wollten und 1973 die Elterninitiative Sachsenhausen gründeten. Ziel war neben einer Umgestaltung des Spielgeländes die Etablierung einer Pädagogik, welche im Sinne der Erziehung zur Mündigkeit die Erwerbung von Kompetenzen im Fokus hat, damit die Kinder und Jugendlichen sozial, gesellschaftlich und politisch handlungsfähig werden. 

„Mama, kann ich heute Matthias mitbringen? – Öh, ja, warum denn nicht.“ 

Nachdem der Kreis der betreuten Kinder um Freunde und Schulkameraden anwuchs, musste das Konzept erweitert werden. Seit Ende der 70er Jahre war die offene Kinderarbeit Kern der Arbeit der Eltern und Betreuer der E.I.S. Sie spiegelt sich in unseren Konzepten der Erlebnispädagogik, der Mädchen- und Jungenarbeit, der Partizipation oder dem Demokratielernen wider. Die Elterninitiative Sachsenhausen gestaltet ihr Angebot als öffentlichen Raum, damit Kinder durch Aneignung und Konstruktion die eigene Erziehung mitgestalten. Das Spielhaus mit dem Spielplatzgelände ist Arena zur Selbstdarstellung und zum Ausprobieren. Der Erfolg unserer Arbeit hat uns bestärkt gegen kurzzeitige Strömungen das Prinzip der offenen Arbeit aufrecht zu erhalten und trotzdem auf die gesellschaftlichen und demografischen Veränderungen im Stadtteil zu reagieren. Dabei ist die Unentgeltlichkeit der meisten unserer Angebote ein wesentlicher Schlüssel, um allen Zugang zu gewähren. 

Die Elterninitiative Sachsenhausen mit seinem Spielhaus ist nicht nur Betreuungseinrichtung, sondern hat immer auch einen gesellschafts- und stadtteilpolitischen Anspruch gelebt. Dies zeigt unsere Geschichte und unsere Bedeutung und Rolle im Stadtteil. Auch die gegenwärtigen Ziele unterstreichen diese Rolle: Wir wollen weiterhin die Entwicklung der uns anvertrauten Kinder zu mündigen Mitgliedern der Gesellschaft fördern. Wir reagieren auf neue Herausforderungen, z.B. indem wir den kritischer Umgang mit den Errungenschaften der Informations-gesellschaft fördern. Und wir werden trotz der soziographischen Veränderung weiterhin auch für Kinder da sein, deren Eltern keine Gelegenheit zu besonderer Förderung haben. 

Es sollte klar sein, dass die Investition in die nachwachsende Generation die wichtigste Aktivität zur Sicherung der sozialen, ökonomischen und kulturellen Kontinuität und zugleich der Weiterentwicklung unserer Gesellschaft ist. Als gemeinnütziger Verein sind wir abhängig von Zuwendungen und Engagement der Bürger im Stadtteil. Wir danken unseren Mitgliedern für ihre Unterstützung, den Betreuerinnen und Betreuern für ihre aufopfernde und hervorragende Arbeit, Vertretern der Stadt für die Finanzierung, unseren Partnereinrichtungen wie dem Kinderhaus oder der Haifischgrube für ihre Zusammenarbeit sowie allen unseren Spendern.